mercredi 5 décembre 2012

Familienpolitik in Deutschland

Am Freitag, den 9. November 2012 stimmten 310 der insgesamt 330 Abgeordneten von Union und FDP für die Einführung eines umstrittenen Gesetzes: das Betreuungsgeld. Diese Leistung soll ab 1. August 2013 Eltern zukommen, die ihr Kind im Alter zwischen eins und drei Jahren nicht in die Kita schicken. Das Betreuungsgeld wird zunächst 100 Euro und dann ab 2014 150 Euro betragen. Insgesamt wird die Maßnahme 1,2 Milliarden Euro kosten[1]

Diese Entscheidung hat die deutschen Parteien in zwei Lager gespaltet. Einerseits verkündet die Koalition die Wahlfreiheit von Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder zu gewährleisten. Dagegen warnt die Opposition vor einer „gesellschaftlichen Rückgewandtheit“[2], wenn man bedenkt, dass diese Pauschale als eine „Herdprämie“ für Frauen gelten könnte. Deshalb scheint die Debatte über das Betreuungsgeld zwei unterschiedliche Auffassungen der Erziehung des Kindes und allgemein der Familie herauszukristallisieren. Die eine sieht das Heim als den gemeinrechtlichen Ort der Erziehung und gibt den Eltern die Hauptrolle, während die zweite ein kollektives Erziehen der Kinder fordert. Um die Debatte richtig aufzugreifen, muss man aber den Zusammenhang der Familienpolitik in Deutschland berücksichtigen. 

In Deutschland wird die Familienpolitik besonders von der Demografie beeinflusst. In der Tat werden jedes Jahr weniger Kinder geboren. Laut einer Studie des statistischen Bundesamtes werden im Jahre 2030 voraussichtlich nur noch 77 Millionen Einwohner in Deutschland leben. Dies entspricht einem Rückgang um fast fünf Millionen Personen im Vergleich zur Lage im Jahre 2008[3]. Mehrere Gründe dafür können genannt werden. Erstens ist Deutschland die älteste Bevölkerung Europas und dies führt dazu, dass der Anteil der Frauen in gebärfähigem Alter rückgegangen ist. Auf der materiellen Ebene wird oft die Verschlechterung der sozialen und beruflichen Lage ab der Mitte der 1970er Jahre erwähnt. Außerdem ist die Rede von einem Wertewandel, vor allem bei den gebildeten Frauen, die ihrer Berufskarriere den Vorrang über ihre Familie geben. Des Weiteren erklärt man die schlechte Demografie Deutschlands durch die Pillenknick. Für die Befürworter dieser Theorie ist die Antibabypille für den Abfall der Geburtenrate verantwortlich. 

Die Bestandteile der Familienpolitik versuchen deswegen die Tendenz umzukehren. In Deutschland haben die Eltern Anspruch auf Kindergeld. Es handelt sich um einen Zuschuss, den man bekommen kann, sobald dass man ein Kind kriegt. Dagegen bekommt man die allocation familiale in Frankreich ab dem zweiten Kind. Die allocation familiale funktioniert wie eine Prämie für zahlreiche Familien, während das Kindergeld höher als die französische Pauschale ist und als ein Anreiz für ein-Kind-Familie gilt[4]. Diese zwei Mechanismen sind unabhängig vom Einkommen der Eltern. Die Eltern in Deutschland können wählen zwischen dem Elterngeld und dem Kinderfreibetrag. Dieser Freibetrag begünstigt das klassische Familienmodell denn Verheiratete bekommen einen höheren Freibetrag als alleinerziehende Eltern. 

Deutschlands Familienpolitik fokussiert sich auch auf Elternzeit. Das vorherige Erziehungsgeld wurde 2007 durch das Elterngeld ersetzt. Das Erziehungsgeld wurde scharf kritisiert, weil es den untätigen Muttern zugutekam: Während der Elternzeit durfte der Elternteil, der Erziehungsgeld haben wollte, nur bis zu 30 Stunden Teilzeit erwerbstätig sein. Außerdem wurde die Leistung für zwei Jahre gezahlt. Das neue Elterngeld ist dafür gemacht, dass sich die Eltern besonders im ersten Jahr ihrem Kind widmen können. Das Elterngeld entspricht einer Pauschale von 67% des Nettoerwerbseinkommens (max. 1800 Euro) plus Leistungselement für Geringverdiener. Die Mindestleistung für alle beträgt 300 Euro. Das Ziel des Elterngeldes ist gleichzeitig den Einkommensverlust zu limitieren und die Väter zu involvieren, damit die Frauen nicht die ganze Zeit zu Hause bleiben müssen. Die Leistung wird für ein volles Jahr gezahlt und für 14 Monate, wenn der Vater mindestens 2 Monate Elternzeit beansprucht. 2011 beantragten 25,3% der Väter die sogenannten „Vätermonate“. Die gesamten Kosten des Elterngeldes betragen mehr als 4 Milliarden Euro pro Jahr. Diese Reform scheint ein neues Familienmodell zu fordern aber sie kommt vor allem den diplomierten Frauen mit gutem Einkommen zugute, weil die Leistung einkommensabhängig ist: je höher der Lohn, desto höher das Elterngeld[5].

Nach 12 Monaten sollen die Eltern normalerweise wieder beruflich tätig sein. Das Problem ist, ein einjähriges Kind ist noch nicht autonom. Deswegen sollen die Eltern entweder eine Tagesmutter oder eine Kindertagesstätte suchen. Da drückt der Schuh. In vielen Bundesländern sind Kitaplätze selten oder es gibt einfach keine sowie im Bayern. Mütter sollen dann trotzdem zwischen Arbeit und Familie wählen, insbesondere diejenigen die sich eine Tagesmutter nicht leisten können. Laut der Opposition sei dann das Betreuungsgeld eine Notlösung[6], die sich mit der familienpolitischen Herausforderung nicht befasst. Dazu kommt noch, dass diese neue Reform den Zielen des Elterngeldes widerspricht. Eine durchdachte Familienpolitik hätte zumindest mehr Kitas ausgebaut und vielleicht sogar Krippen als obligatorisch durch
gesetzt, so die Grünen.

Q.H. 



[1] „Koalition setzt Betreuungsgeld im Bundestag durch“, Stern, 9.11.2012.
[2] „Steinbrück will Betreuungsgeld sofort abschaffen“, Der Spiegel, 9.11.2012.
[3] Demografischer Wandel in Deutschland, „Heft 1: Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung im Bund und in den Ländern, Ausgabe 2011“, Statistische Ämter des Bundes und der Länder, März 2011.
[4] Mit einem Kind bekommt man 154 Euro pro Monat in Deutschland. Mit zwei Kinder 308 Euro in Deutschland und 119 Euro in Frankreich.
[5] Angela Greulich, « Les politiques familiales en France et en Allemagne. Quelles différences ? Quelles pistes de réforme ? », Horizons stratégiques, n°7, janvier-mars 2008.
[6] Das Betreuungsgeld kommt ursprünglich aus dem Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP und gilt als eine Gegenleistung für Abschaffung der Praxisgebühr.

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