mercredi 20 février 2013

Verliert Berlin seine Seele?

Je poste ici une contribution de Mlle Émilie Dissard, amie et étudiante en coopération franco-germanique à l’IEP de Strasbourg. A l’heure où l’augmentation du prix des loyers et la gentrification – phénomènes corrélatifs qui semblent gagner la plupart des grandes villes allemandes – font couler beaucoup d’encre outre-Rhin, Émilie nous livre un témoignage passionné (un brin nostalgique ?) sur la situation de Berlin où elle a résidé près d’un an. 

Die immer größer werdende Beliebtheit der Hauptstadt

Wovon ist die deutsche Hauptstadt bedroht? Erstaunlicherweise von sich selbst. Berlin ist höchstwahrscheinlich das Opfer ihres eigenen Erfolgs. Sie feiert mit großem Stolz den Tourismus-Rekord, den die letzten Statistiken zeigen. Berlin hat mit fast 21 Millionen Übernachtungen den 3. Rang hinter Paris und London erobert. 
Berlin ist nämlich unvergleichlich. Jeder Aufenthalt ist dank der geschichtlichen Gedenkstätten und der Vielfalt der kulturellen Szene spannend. Im Gegensatz zu Paris und London suchen sie keine “Schicki-Micki-Mode”, keine Luxus-Produkte, sondern einen Hauch von Authentizität.  Das heißt, Orte, wo man sich frei äußern kann, wo die Künstler keine Grenzen haben, und wo man ohne soziale Hindernisse - z. B. im Zapata-Club - Spaß haben kann. Diese Orte der Berliner Untergrundkultur stehen aber in allen Reiseführern. So sind sie auch von Touristen überlaufen.
Au Kreuzberg
Leider stellt Massentourismus eine Bedrohung für die Vielfalt der Stadt dar. Er führt zu einer Homogenisierung der verschiedenen Viertel. Nehmen wir z.B. den multikulturellen Bezirk Berlins, namens Kreuzberg: man sagt oft, er verliere seinen Ruf und seine mysteriöse Atmosphäre.


 Der gesellschaftliche Wandel : Die Gentrifizierung

Le Tacheles
Daneben werden einige Stadtteile reicher als vorher. Seit der Wiedervereinigung wurden die ehemaligen kommunistischen Bezirke restauriert. In der deutschen Hauptstadt sprießen Baustellen wie Pilze aus dem Boden. Die Mieten steigen erheblich in den Bezirken an, die das kulturelle Zentrum Berlins darstellten. Manche armen Einwohner von dem ehemaligen Ost-Bezirk Prenzlauer Berg z. B. werden gezwungen, wegzuziehen. Eine weitere Wende geschieht: Sie wird Gentrifizierung genannt. Dieses Phänomen existiert auch in andere Hauptstädte, wie Paris oder London.  
Diese Entwicklung wird oft stark kritisiert in Berlin. Statt der Arbeiterwohnungen und Arbeiterkneipen entstehen Bioläden, Brunchcafés und teure Geschäfte. Diejenigen, die auf dieses Leben keine Lust haben, oder kein Geld dafür haben, fühlen Verbitterung. Eigentlich ist eine Rückkehr nicht möglich.
Die Politik der Stadtregierung zielt darauf, Berlin ein neues Gesicht zu geben. Selbstverständlich ist es wichtig, die Spuren der Diktatur zu beseitigen. Jedoch wäre es schade, wenn die Identität Berlins verloren geht. Tatsächlich ist sie ein wichtiges Erbe, die die Deutschen und die Ausländer weiter ehren sollten.
Man geht das Risiko ein, dass Kreuzberg auch einen solchen Gentrifizierungsprozess erlebt. Die Sanierung spricht bürgerlich werdende Familien an. Da der Drogenhandel eingegrenzt wird, wird der Alltag sicherer. Die Reichen kommen im Zentrum Berlins an. Sie verlassen die Umgebung und ein Wechsel beginnt.

Die langsame Zerstörung der Berliner Untergrundkultur
Diese beiden Phänomene sind nicht problemlos, weil sie eine große Gelegenheit für die Kapitalgeber sind. Damit hat die Stadt ein neues finanzielles Potenzial entwickelt. Und die Projekte in Immobilien werden rentabler als die Besonderheit der Stadt zu erhalten. Alle Orte werden potenzielle lukrative Projekte, um die Nachfrage zu befriedigen.
Wegen diesen immer wichtigeren Phänomenen sind das letzte Jahr, als ich in Berlin war, drei Mythen des alternativen Berlins zum Opfer fallen, und damit beginnt das Verschwinden der so geliebten rebellierenden Untergrundkultur.
Das erste Opfer war die Hausbesetzung Liebig 14, die an der Liebigstraße 14 liegt. Ihre Geschichte ist von der Berliner Geschichte geprägt. Nach der Wiedervereinigung hatten alternative junge Leute eine juristische Unklarheit entdeckt, um dieses Haus zu besetzen. Dieses Haus wurde später verkauft, und der neue Eigentümer hatte viele Schwierigkeiten, weil die Besetzer nicht weggehen wollten. 
Ende Juni 2010 gab es eine große Demonstration mit mehr als 1 000 schwarz angezogenen Teilnehmern, um die letzten 25 Besitzer zu unterstützen. Trotzdem haben mehr als 2 500 Polizisten am 2. Februar 2011 fünf Stunden gebraucht, um diese „Insel gegen den Kapitalismus“ zu evakuieren. Und das war nur das Anfang der langsamen Zerstörung. In diesem Kontext hat die letzte Party im Club Maria am Ostbahnhof, dem Mekka der Elektromusik,  am 21. Mai wie eine Abschiedsparty des alternativen Berlins geklungen. 

Liebig 14

Der Angriff der  Investoren auf die alternativen Symbole der Stadt

Das war nur der Anfang eines langen Prozesses. Nach dieser ersten Etappe war alles möglich, auch den wichtigsten Mythos der Berliner Untergrundkultur, das Kunsthaus Tacheles zu zerstören. 
Seit dem 4. April hat das letzte Kapitel von Tacheles, der so berühmten deutschen Hausbesetzung begonnen. Um diese Berliner „Institution“ zu retten, sollten die Künstler, die seit 1990 dieses Haus besetzen, mit dem Eigentümer, der Bank HSH Nordbank, verhandeln. Der Kampf gegen den unbekannten Investor, der mehr als 35 Millionen vorgeschlagen hat, war fast eine unmögliche Aufgabe. Jetzt sieht eine Führung durch Tacheles melancholisch aus. Noch vor ein paar Monate konnten die Leute ein Bier im Hof vom Tacheles genießen und Kunstwerke dabei ansehen. Von nun an ist der jiddische Name dieses Kunsthauses, des „jemandem seine Meinung sagen’ bedeutet, sinnlos geworden. Und leider haben die zahlreiche Demonstrationen dagegen nichts verändert. 

Mit dieser langsamen Zerstörung hat Berlin schon einen Teil seiner Seele verloren. Tatsächlich waren Tacheles und Liebig 14 so wertvoll wie die East-Side Gallery und das Ischtar-Tor des Pergamonmuseum. Die Entwicklung dieses besonderen Geistes war ein Mittel, die schwierige Vergangenheit Berlins zu überwinden. Aber jetzt wird Berlin von der kulturellen Vereinheitlichung bedroht, obwohl es noch eine Hoffnung existiert.


É.D.

vendredi 15 février 2013

Der Länderfinanzausgleich: zwischen Solidarität und Wettbewerb

Le président du Land de Bavière Horst Seehofer (à droite) et son homologue du Land de Hesse Volker Bouffier, le 5 février à Wiesbaden. Arne Dedert/AFP
Die Ministerpräsidenten Hessens und Bayerns, Volker Bouffier (CDU) und Horst Seehofer (CSU), haben am 5. Februar 2013 beim Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen den Länderfinanzausgleich eingereicht[1]. Der Länderfinanzausgleich besteht in Transferzahlungen von den „reichen“ zu den „armen“ Bundesländern. Hessen und Bayern gehören zu den 4 größten Geberländern Deutschlands. Im vergangen Jahr hat Bayern insgesamt 3,9 Milliarden Euro zahlen müssen, während Hessen 1,33 Milliarden Euro abgegeben hat. Laut Bouffier und Seehofer sei der Finanzausgleich deswegen ungerecht, weil Geberländer am Ende weniger Geld pro Kopf haben als Empfängerländer. Dagegen will sich das Land Baden-Württemberg (Rot-Grün), das auch viel für die anderen Länder zahlen muss, der Klage nicht anschließen. Dennoch ist diese Frage überhaupt nicht neu. Schon 1999 hatten Hessen, Bayern und Baden-Württemberg vor dem Karlsruher Gericht geklagt und sich für eine Reform des Föderalismus geäußert[2]. Es gibt also zwei verschiedenen Auffassungen des Föderalismus: die eine fordert mehr Wettbewerb zwischen den Bundesländern und die andere ist auf Solidarität gegründet. 



Die Solidarität liegt im Kern des Finanzausgleichs. Der Begriff „Finanzausgleich“ ist am Ende des 19. Jahrhunderts in der Schweiz entstanden, also in einem föderalen Staat. 1927 hatte Popitz den Finanzausgleich als die Gesamtheit der Tatbestände und Regelungen bezeichnet, die die finanziellen Beziehungen unter den in einem Staatswesen vorhandenen Gebietskörperschaften umfassen. Heute gilt diese Definition für Deutschland immer noch, obwohl das System viel komplexer ist. Man muss einen vertikalen Finanzausgleich (Bund --> Länder) von einem horizontalen Finanzausgleich (unter den Ländern) unterscheiden. Diese zwei Formen des Finanzausgleichs sind im Grundgesetz verankert (Artikel 106 und Artikel 107) und dienen der „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ (Artikel 72, Abs. 2). Diese territoriale Solidarität stellt also einen Kompromiss zwischen der Unabhängigkeit der Bundesländer und der solidarischen Beteiligung am Bund dar[3].

Der Länderfinanzausgleich im engeren Sinne entspricht einer Form des horizontalen, kooperativen und solidarischen Finanzausgleiches. Er ist die erfolgreichste Struktur der Bundesländersolidarität in Deutschland, weil er ohne Intervention des Bundes funktioniert. Sein Ziel ist es, „die unterschiedliche Finanzkraft der Länder angemessen auszugleichen“ (Art. 107 Abs. 2, GG). Hier geht es nicht darum, die sehr komplexe Rechnung zu beschreiben, sondern man muss bemerken, dass der Länderfinanzausgleich einen effizienten Ausgleich unter den Ländern ermöglicht, wie die Grafik es klar darstellt[4]

Trotz seines Leistungsstands wird der Länderfinanzausgleich prinzipiell kritisiert. Die Hauptkritik besteht darin, dass er zu einem „moralischen Risiko“ führen könnte. Da die Nehmerländer die Transferzahlungen für gesichert halten, würden ihnen den Anreiz genommen, selbst ihr Defizit zu stabilisieren. In diesem Modell wirkt das Nehmerland wie ein fauler Rauschgiftsüchtiger, der ewig auf seine Dosis wartet. Außerdem wird Kritik gegen den Finanzausgleich geübt, weil er den naturhaften Wettbewerb unter den Ländern verfälscht. Laut dem „Tiebout-Modell“ wird die Wohnsitzwahl der Individuen zum Indikator für die Effizienz der Länder. Wenn das Angebot an öffentlichen Diensten und der Finanzbericht den Präferenzen der Individuen nicht entsprechen, dann können sie einfach das Land verlassen (voting by feet). Infolgedessen werden die Einwohner der ineffizientesten Länder in die effizienteren Länder ziehen. Im deutschen Föderalismus gibt es aber den Länderfinanzausgleich, der in dieser Ansicht wie eine Strafe für die finanzpolitisch tugendhaften Länder wirkt: statt nach Hessen und Bayern umzuziehen bleiben die Berliner in der defizitären aber coolen Hauptstadt, die von den zwei vorbezeichneten südlichen Bundesländern finanziert wird.

Q.H.

[1] „Offensichtlich verfassungswidrig“, FAZ, 05.02.2013.
[2] "Ein Akt der politischen Notwehr", Hessicher Rundfunk Online, 05.02.2013.
[3] Laurent Guihéry, "Fédéralisme fiscal en Allemagne. Quelle réforme de la péréquation financière allemande ?", Économie publique/Public economics [En ligne], 08 | 2001/2.
[4] "1982 – 2002 : Les enseignements de vingt ans de décentralisation", La Gazette de la société et des techniques, n°18, janvier 2003.